13.06.2005
#Protokoll Nr. 3:
„Von Provinz-Muskelprotzen und Musikantenstadl-Frisuren“
Fabian Burstein sieht fern. Auf der Couch zu Gast: Clarissa Stadler
Wenn es um anekdotische Erzählungen aus dem städtischen Alltag geht, beschränkt sich Clarissa Stadlers Erfahrungsschatz nicht bloß auf die schriftstellerische Gestaltung ihrer Romanfigur N.: „Heute hat mir im Supermarkt ein Typ mit Alkohol-Fahne und kaputtem Daumen einen Kaugummi unter die Nase gehalten, weil er wissen wollte, ob der gut riecht.“ Thema Menschen-Erlebnisse. Eine gute Gelegenheit, endlich mal meine phobischen Zustände im Verrückten-Transporter U6 zu outen. Ich stoße auf Verständnis. Das tut gut.
Freitag, 13. Mai 2005. Was Clarissa Stadler und mich zusammenführt sind keine therapeutischen Interventionen sondern zwei „Erfolgs-Formate“. Sex and the City und Desperate Housewives. Schicker Manhatten Lifestyle trifft auf biederes Vorstadt Idyll, Ex-Kult auf TV-Hoffnung. Bevor wir loslegen, gilt es persönliche Präferenzen bezüglich der SATC-Protagonistinnen zu klären. Clarissa Stadler findet „die spießige Galleristin am authentischsten. Aber das verstehen die wenigsten.“ Ich auch nicht – schließlich geht nichts über die ausgefallene Schönheit Miranda. In einem sind wir uns einig: Carry ist null sexy. Und die Männer? Ich finde Mr. Big doch sehr attraktiv, stoße mit dieser Einschätzung aber auf Widerstand. „In der Serie verbreitet er schon Glamour, aber als Schauspieler ist er derbe und ernüchternd. Ich habe eher auf den Russen gesetzt.“ Während ich mir sukzessive wie ein schwuler bester Freund vorkomme, nimmt die Handlung ihren gewohnten Lauf. Cocktail-Parties, Sex-Gespräche, Single-Probleme – trivial hin oder her, interessant ist es auf jeden Fall. Das sieht auch Clarissa Stadler so: „Männer wissen nicht wie Frauen funktionieren und umgekehrt. Das war die einzige Serie, wo jede Folge Nachhilfe gegeben wurde.“
Bei Desperate Housewives sieht die Sache ein bisschen anders aus. Die Lieblingsserie von Laura Bush will uns nicht so recht packen. Das scheitert schon an den Männern. „Das sind so Provinz-Muskelprotze mit Musikantenstadl-Frisuren und John Boy-Schmäh.“ Auch der medial beschworene Zynismus der Serie kann einfach nicht punkten. „Der Habitus ist so altmodisch, als ob es bei der Blauen Lagune in der Shopping City gedreht worden wäre. Alles ist Fertigteil. Die Häuser, die Innen-Einrichtung, die Vorgärten, die Figuren. Selbst die Kinder sind Fertigteil. Da bedarf es schon der Ironie einer Frau Bush.“ Unsere Aufmerksamkeit richtet sich fortan auf die Werbeunterbrechungen. Das Müller Milch-Männchen löst bei Clarissa Stadler wahre Begeisterungsstürme aus. „Ich liebe solche Figuren.“ Zeit für mein zweites Geständnis: Ich steh’ auf den Charmin’ Bären. „Das ist ein typisch männliches Phänomen. Da geht’s um die Illusion, dass etwas rein wird ohne dass man sich schmutzig macht.“ Ich widerspreche nicht.
Diese Kolumne bildet die Basis für Live-Protokolle, die Fabian Burstein mit Clarissa Stadler am 16. Juni um 20.15 Uhr im Wiener Rhiz aufzeichnen wird. Eintritt frei.
erschienen im Juni 2005